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 Strasburg Railroad

Karsten’s Reisen, Teil IV:

Road to Paradise

Eine Fahrt mit der Strasburg Railroad

Wie bereits im letzten Bericht dieser Reihe angekündigt wollen wir heute direkt ins Paradies fahren! Und welches Verkehrsmittel könnte für uns Eisenbahnfans besser dafür geeignet sein als eine historische Museumsbahn?!

Es handelt sich um die Strasburg Railroad, deren Ausgangspunkt in der East Strasburg Station genau gegenüber des Eisenbahnmuseums von Pennsylvania – siehe Karsten’s Reisen Teil III – auf der anderen Straßenseite liegt. Von hier aus führt die nur gut sieben Kilometer lange eingleisige Strecke zum nächsten Ort namens Paradise, wo die Gleise an das Netz der ehemaligen Pennsylvania Railroad anschliessen. Heute brausen dort die Schnellzüge von Amtrak durch.

Die Strasburg Railroad war eine der typischen Short Lines, die zu Hunderten von den großen Eisenbahnlinien abzweigten, um Personen und Güter zu nahe gelegenen Orten in der Fläche zu bringen. Sie wurde bereits 1832 gegründet, doch der erste Zug fuhr vermutlich erst 1851. Eine um die Jahrhundertwende eröffnete Straßenbahn von Strasburg zur Kreisstadt Lancaster nahm der Bahn die meisten Fahrgäste, so dass ihre Hauptaufgabe fortan in der Übergabe bzw. Übernahme von Gütern zur und von der Pennsylvania Railroad bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihr auch diese mehr und mehr von den Lkw abgenommen, so dass sie Mitte der Fünfziger Jahre vor der Bedeutungslosigkeit stand. Mehrere Unwetter zerstörten 1957 Teile der Strecke und setzten so der Bahn ein schnelles Ende, da ein Wiederaufbau wirtschaftlich nicht gerechtfertigt war.

Doch es bildete sich eine Gruppe von Eisenbahnfans um den Industriellen Henry K. Long aus dem nahe gelegenen Lancaster, die es sich zur Aufgabe machte, die Strasburg RR wieder aufzubauen und als Museumsbahn zu betreiben. Zu diesem Zweck wurden alte Lokomotiven und Personenwagen aus ganz Nordamerika angeschafft, selbst aufgearbeitet sowie die Strecke wieder instandgesetzt. Auch das ca. 1915 erbaute Stationsgebäude der East Strasburg Station nebst weiteren Gebäuden wurde vorbildlich restauriert. In den über 40 Jahren des Bestehens der „neuen“ Strasburg RR haben die Mitarbeiter ein hohes Know-How erworben, welches auch extern genutzt wird, z.B. werden auch „fremde“ Lokomotiven in der Werkstatt der Bahn aufgearbeitet.

Die reguläre Fahrsaison wird jedes Jahr im März eröffnet und dauert bis November. Zusätzlich gibt es Sonderfahrten und im Dezember noch an mehreren Tagen „Nikolausfahrten“. Gefahren wird nicht nur am Wochenende sondern jeden Tag, so dass ich die Bahn problemlos in der Woche besuchen konnte. An schwächeren Tagen - etwa alltags im Frühjahr und Herbst - enthält der Fahrplan drei bis vier Züge, in den Spitzenzeiten im Hochsommer werden ein Dutzend Züge am Tag angeboten. Dann stehen auch mehrere Zuggarnituren gleichzeitig im Einsatz. Gefahren wird grundsätzlich mit Dampfloks - nur im März ist der Besucherandrang noch so gering, dass ersatzweise ein historischer Dieseltriebwagen zum Einsatz kommt. Dieser hat auch den Vorteil, dass er den Betrieb mit nur einem einzigen Mann Besatzung gestattet.

An diesem Tag ist dieser Mann John. Er ist im Hauptberuf Immobilienmakler, doch heute ist John Lokführer, Schaffner und Geschichtslehrer in einer Person. Als ich vormittags am Bahnhof ankomme, steht der Triebwagen bereits am Bahnsteig und John geht prüfend langsam um den Triebwagen herum.. Laut Fahrplan soll die erste Fahrt des Tages um Punkt 12 Uhr – High Noon – stattfinden.

Mir bleibt noch etwas Zeit, um mich auf dem Bahnhofsgelände umzusehen. An diesem frühen Märztag ist es noch winterlich kalt mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Aber die Mittagssonne taucht den Bahnhof in wunderbares Licht. Schon von der Straße aus ist das historische Stellwerk in hervorragendem Zustand zu sehen, welches im Sommer auch von innen besichtigt werden kann. Auf den Gleisen steht eine lange Garnitur von historischen Schnellzugwagen, schätzungsweise aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Mit solchen Garnituren verkehrt der Zug im Sommer. Auf einem Nebengleis kann der „President’s Car“ besichtigt werden, ein besonderer Gesellschaftswagen mit offener Plattform am Wagenende, der früher z.B. für Wahlkampftourneen des Präsidentschaftskandidaten verwendet wurde.

Die Gaststätte und der Souvenirladen haben geöffnet, doch der Fahrkartenschalter bleibt wegen des geringen Andrangs geschlossen. So verkauft John mir die Fahrkarte beim Einsteigen in den Triebwagen. Außer mir sind noch vier weitere Fahrgäste an Bord, da hätte sich der Schnellzug wirklich nicht gelohnt.

Bevor wir losfahren erzählt uns John die Geschichte des Triebwagens: 1885 erbaut war dieser ursprünglich ein Personenwagen einer Schmalspurbahn in der Nähe, die es schon lange nicht mehr gibt. 1914 wurde der Waggon zu einem Triebwagen bzw. Schienenbus umgebaut, um im Einmannbetrieb einen rentableren Personenverkehr durchführen zu können. Nach nur drei Jahren Betriebszeit wurde der Triebwagen dann 1917 ausgemustert. Er stand lange Zeit abgestellt bis er in den Sechzigern wiederentdeckt wurde und zur Strasburg Railroad kam. Hier wurde er auf Regelspur umgespurt und mustergültig aufgearbeitet. Dabei blieb auch der originale Heizungsofen im Fahrgastraum erhalten.

John nimmt nun im Führerstand Platz und startet den Motor. Langsam fahren wir aus dem Bahnhof und am Lokschuppen mit Werkstatt vorbei. Vor dem Schuppen steht neben ein paar Güterwagen eine blitzblanke Dampflok, deren Wartung laut John gerade abgeschlossen wurde und die nun bereit ist für die kommende Saison.

Nach Verlassen des Bahnhofes geht es vorbei an Farmen und einem Sägewerk. Ein Acker wird mit einem Pferdepflug bewirtschaftet und am Bahnübergang wartet eine Kutsche. Die Zeit scheint hier auf seltsame Weise stehen geblieben zu sein und das ganze Umfeld passt perfekt zur historischen Eisenbahn. Des Rätsels Lösung: Wir befinden uns hier mitten im Land der Amische, einer Religionsgemeinschaft, die sich im 17. Jahrhundert von der Täuferbewegung abspaltete und bekannt dafür ist, den technischen Fortschritt in den meisten Fällen strikt abzulehnen. Bei Ihrer Auswanderung nach Amerika landeten die ersten bedeutenden Gruppen der Amische 1720 – 1730 hier im Lancaster County.

Nach etwa der Hälfte der Strecke wird ein großer Picknickplatz erreicht, der sich – so erzählt John – im Sommer großer Beliebtheit erfreut. Die Züge machen dann hier einen Zwischenstopp, um Gäste ein- und aussteigen zu lassen, die hier oft den ganzen Tag verbringen. Zudem befindet sich hier eine Ausweiche, damit zwei sich entgegenkommende Züge hier kreuzen können. Nach weniger als einer halben Stunde Fahrzeit ist das Ende der Strecke in Paradise erreicht. Es gibt hier keine Station mehr und man kann auch nicht aussteigen. Im Sommer setzen die Dampfloks für die Rückfahrt ans andere Ende des Zuges um, John muß heute im Triebwagen nur zum Führerstand am anderen Ende gehen.

Jedem, der nach Pennsylvania kommt, kann ich empfehlen, John und seine Kollegen von der Strasburg Railroad einmal zu besuchen, besonders im Sommer wenn bis zu drei Dampfloks gleichzeitig unterwegs sind. Ich muß wohl auch noch mal zurückkehren nach Pennsylvania, denn es gibt gerade in diesem Staat noch viele weitere Attraktionen für Eisenbahnfans, die ich leider dieses Mal nicht besuchen konnte, wie z.B. den Eisenbahn-Nationalpark(!) Steamtown in Scranton, die berühmte Horseshoe-Curve bei Altoona, oder das den Eisenbahnarbeitern gewidmete Museum in Altoona.

Die Strasburg Railroad kann man natürlich auch im Internet besuchen: hier klicken.

Der Bericht erschien auch in der Volldampf, Nr. 3 / 2005.

Triebwagen6
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